Spenden für das Kinderheim in Ghimbav
Gegen 13:00 Uhr erreiche ich zusammen mit Laura das Kinderheim in Ghimbav. Das Auto vollgepackt mit Hilfsgütern, die ich teils von zu Haus emitgebracht habe, teils haben wir sie heute morgen von den Autos der anderen Mitreisenden umgeladen. Wir sind nur die Vorhut. Der Rest der Truppe ist derzeit noch mit dem Motorrad unterwegs.
Wie jedes Mal, wenn ich zu einer Endurowandern-Tour nach Rumänien einlade, suche ich zusemmen mit den Teilnehmern eine oder mehrere Anlaufstellen, für die wir während der Vorbereitung Hilfsgüter sammeln.
Maja, die Bunica (Oma), wie sie hier genannt wird, freut sich sehr, uns wieder zu sehen. Bei meinem letzten Besuch war sie nicht da, weil sie an der Hüfte opereiert wurde. Auch jetzt fällt ihr das Gehen noch schwer. Wir setzen uns zusammen in den Garten, während die Kinder und ihre Betreuer für uns den Tisch mit Getränken und allerlei Leckereien füllen. Wir nutzen die Zeit und erzählen uns gegenseitig die Neuigkeiten, die in der Zwischenzeit passiert sind.
Dann höre ich Motorengegrummel – der Rest des Teams kündigt sich an. Ich sage einem der Jugendlichen, dass er das Tor öffnen soll und alsbald kommen die beiden Marions, Rebecca, Urs und Ingmar auf den Hof gerollt.
Aufgeregt beobachten die Kinder die Einfahrt und stellen überrascht fest, das sich unter den meisten Helmen eine Frau verbirgt. Motorradfahren ist für die meisten Rumänen noch immer unerschwinglich, die Zahl der motorradfahrenden Frauen dementsprechend noch weitaus geringer.
Die vier setzen sich zu uns an den Tisch und erfischen sich mit Kaffe, Kaltgetränken und dem leckeren Essen. Ich bitte Maja, meinen Begleitern ein wenig von ihrer Arbeit zu erzählen, was sie auch gerne tut. Zuerst gibt sie einen kleinen Abriss über die Projekte, die ich mit ihnen zusammen schon abgewickelt habe, dann kommt der wichtigere Teil. Sie erzählt vom mühsamen Kampf mit den Behörden, sowohl in Deutschland, in Brüssel und in Rumänien. Wie schwer es mittlerweile geworden ist, ein Kinderheim in dieser Form am Leben zu halten, weil alle Gesetze auf die staatlichen Heime zugeschnitten werden, wo mehr als 100 Kinder mehr oder weniger Kasernenartig gehalten werden.
Beispiel: Obwohl es hier im Ort einen Arzt gibt, wo die Kinder rund um die Uhr Hilfe bekommen, wenn benötigt, wird eine medizinische Fachkraft innerhalb des Heimes vorgeschrieben. Das bedeutet beim Schichtbetrieb, dass an sich 3 Stellen geschaffen und finanziert werden müssen. Aber sie hat auch positives zu berichten: Sie haben alle Prüfungen bestanden und gerde die Genehmigung bekommen, das Haus für weitere 4 Jahre zu betreiben.
Dann wechselt sie zu den Lebensläufen der einzelnen Kinder hier im Heim. Erzählt, wie die Kinder zu ihnen gekommen sind und was ihnen vorher widerfahren ist. Verwahrlosung, verstoßen von der Familie oder gar misshandelt und missbraucht. Maja erzählt in ihrer ganz eigenen Art, ohne zu verharmlosen oder zu dramatisieren, die Schicksale der Kinder haben das auch gar nicht nötig.
Ihre Worte gehen unter die Haut. So manche Träne quillt aus dem ein oder anderen Augenwinkel – auch bei den Männern. Es ist still geworden am Tisch. Dann erzählt sie uns, wie sie die Kinder auffangen, ihnen eine Lebensstruktur bieten, familiäre Nestwärme, feste Zeiten, Hilfe, wo sie benötigt wird. Sie erzählt aber auch davon, wie manche der Kinder dann doch wieder straucheln und sie die Arbeit von vorne beginnen. Ich war schon häufiger hier und habe schon öfter ähnliche Geschichten gehört. Imemr wieder bin ich überwältigt von der Kraft, die in den Betreuern und vor allem in Maja steckt. Ich weiß nicht, ob ich in der Lage wäre, immer wieder von vorne anzufangen.
Majas Worten könnte man stundenlang zuhören. Es vergeht auch geraume Zeit, bis wir uns losreisen. Sie bittet uns noch, ein paar Worte in ihr Gästebuch zu schrieben, was wir auch gerne tun. Sie wäre ein sentimentaler Mensch, meint sie. Wenn sie abends in ihrem Zimmer sitzt, holt sie das Buch gerne her, um die Begegnungen wieder Revue passieren zu lassen.
Dann wird es Zeit, das Auto auszuladen. Auto und Dachbox sind bis zum Bersten gefüllt. Das Team und auch die Kinder helfen zusammen und tragen die Vakkumbeutel, Kartons etc. ins ‚Wohnzimmer‘. Diesmal hatten wir eine ‚Wunschliste‘, auf der zum Beispiel Federballspiele und ein Schlagzeug standen. Nach letzterem habe ich lange gesucht und dann kurz vor der Abfahrt tatsächlich eines aufgetrieben. Die Freude ist groß – egal, was ausgeladen wird. Ein kleines Schaukelpferd wird sofort adoptiert, während Marion ein paar Puppen an Maja übergibt und deren Geschichte erzählt. Die Mädchen fragen, ob sie die Kleiderbeutel aufmachen können. Wenn wir weg sind, wird es eine Modenschau geben, meint eine der Betreuerinnen. Wir bekommen auch noch eine Darbeitung mit Schlagzeug und Klavier.
Langsam wird es Zeit, sich zu verabschieden. Ein paar der Kinder drucksen herum, ich denke, ich weiiß worum es geht. Das bestätigt sich auch gleich, als einer von den Maja etwas ins Ohr flüstert. Sie fragen, ob sie sich mal auf ein Motorrad setzen dürfen. Na klar dürfen sie, antworte ich. Sie dürfen auch mal gerne eine Runde mitfahren. Die Freude ist groß, als Maja das ins rumänische übersetzt. Es ist auch langsam an der Zeit. Ich war schon öfter hier, aber bisher haben wir meist eine Verbindungsetappe genutzt, um Sachen hierher zu bringen. Entweder blieben die Motorräder zu Hause oder sie waren auf dem Hänger.
Nur drei der 5 Maschinen bieten Möglichkeiten für einen Sozius: Rebeccas XT und die beiden DR350 von Marion und Urs. Wegen der Körpergröße und dem Handling mit Sozius übergibt die Rebecca ihre Maschine an den Ingmar. Urs ist schon mit dem ersten Jugendlichen unterwegs und Marions DR will nicht anspringen. Ich biete mich an, sie anzukicken, und kriege sie auch schnell zum Laufen. ‚Wenn Du schon draufsitzt, dann fahr auch gleich‘, meint Marion. Also bin auch ich dabei, den Kindern eine große Freude zu machen.
Ich fahre einmal um den Block und dabei auch an der Polizei vorbei. Weder Ich noch meine Mitfahrer haben einen Halm auf. Ich grüße Freundlich, die Polizisten grüßen zurück. Ghimbav ist ein kleiner Ort, ich denke, man kennt die Kinder und so drücken sie offenbar ein Auge zu.
Mittlerweile werden auch die Mädels mutig und wollen eine Runde drehen. So fährt jeder von uns 5-6 Runden, bis alle mal an der Reihe waren. Maja lässt es sich auch nicht nehmen, eine Runde mitzufahren. Das letzte Mal sei viele Jahrzehnte her, meint sie. Trotz Hüft-OP und mit ihren 80 Jahren schafft sie es mit wenig Unterstützung , auf die XT zu kommen, begleitet mit anerkennenden Worten der Kinder. Ingmar fährt los und kommt lange nicht mehr zurück. Als wir uns schon langsam Sorgen machen, taucht er dann doch wieder auf. Das Motorrad war ausgegangen und bei einem fremden Mopped ist das dann nicht so einfach, den Grund zu suchen, vor allem, wenn man nicht absteigen kann. Irgendwann lief sie dann doch wieder von alleine. Zum Absteigen hole ich eine Kiste aus einer Ecke. Während ich ihr helfe, herunterzukommen und ihr meine Anerkennung ausdrücke, grinst sie mich an: ‚Ab und zu muss man die Kinder auch mal beeindrucken‘.
Es wird Zeit, uns zu verabschieden. Ich denke, es war für alle ein ganz besonderes Hilfsprojekt, was allen lange in Erinnerung bleiben wird. Wir bringen öfter mal Sachen hin, da wir das Ganze rein privat organisieren, kann ich nur selten die ebenfalls benötigten Geldspenden übergeben. Hier denke ich, haben wir etwas ganz besonderes dagelassen.
Wer dem Heim spenden will – auch gegen Spendenquittung möglich – hier der Link zur Webseite:
Scheytt-Stiftung
Nachtrag: Als ich ein halbes Jahr später wieder Sachen hinbringe, werde ich von der neuen Managerin sofort identifiziert, als ich mich vorstelle: Ah, Du bist der Fred mit den Motorrädern 😉
Endurowandern in Rumänien 2016 – XT-Stammtisch.de
4. August 2017 @ 14:36
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